Qual und die Bahn I

Wir befanden uns an einem gut gefüllten Provinzbahnhof und warteten auf unseren Anschlusszug, als der Lautsprecher plötzlich knackte und die Menge in etwa mit folgender Ansage beschallte:

“Werte Fahrgäste! Bitte beachten Sie: Der Regionalexpress C3-PO von X nach Y wird voraussichtlich zehn Minuten später eintreffen. Wenn wir voraussichtlich sagen, trifft das in 95% der Fälle auch zu. Wir bitten Sie die Verspätung zu entschuldigen und danken Ihnen für Ihr Verständnis! Ach ja, please mind the gap und so. Viel Spaß noch…ihr Würstchen! Haha, macht auch immer wieder Laune. Da werden die Jammerlappen wieder mächtig erbost sein…oh, ist das Mikro noch an? Sch…” Knack.

Innerhalb eines Augenblicks nach Verstummen der Anlage verwandelte sich der bis dato ruhige Bahnhof in eine hektische Bundestagssitzung. Handys wurden gezückt, Termine bei Zahnärzten, Rechtsanwälten und Thai-Masseusen verschoben. Kleine Kinder riefen nach ihrer Mama, obwohl sie zuvor ohne die betreffenden Mütter am Gleis angekommen waren. Ein älterer Herr ließ seine Krücken fallen und rannte schreiend davon: “Das ist das Ende!!!” Schulterzuckend sahen wir uns an. “So was Blödes! Wir kommen zu spät!”, stellte ich fest, “Anscheinend bekommen die auch nichts mehr gebacken.” Qual beobachtete seelenruhig die Szenerie und zeigte keine Anzeichen von Wut. “Beschwer dich bitte nicht so sehr über meinen neuen Arbeitgeber, ihr seid doch nur Sklaven eurer eigenen Erwartungshaltung”, bremste er mich schließlich. “Was meinst du mit Arbeitgeber? Und wieso Sklaven?”, fragte ich verwundert. “Nimm erstmal einen Kaugummi, dann erklär ich dir alles”, versprach Qual.

FacebookTwitterGoogle+Email

One thought on “Qual und die Bahn I

  1. Pingback: Qual und die Bahn II « Qual der Wa(h)l

Dampf ablassen!