Im Mai letzten Jahres bescherte uns Tief Schwiedhard einen äußerst niederschlagsreichen Tag, was unsere Planungen völlig über den Haufen warf. Angesichts des lang anhaltenden und lautstarken Platzregens war unsere alsbald verhagelte Stimmung durchaus angebracht, auch wenn man zugegebenermaßen den Aggregatzustand eben dieser unserer Stimmung zumindest aus physikalischer Sicht und unter Berücksichtigung der Temperatur als nicht ganz korrekt bemängeln könnte. Allerdings wären Ausdrücke wie vernieselte Laune oder verhuschtes Gemüt nicht der Schwere und dem Ausmaß unserer Enttäuschung von damals gerecht geworden. Schließlich hatte es dieses Druckgebilde gleich auf zweierlei Weise geschafft, uns Grund genug zu geben, es nicht zu mögen, ja geradezu zu hassen.
Im Ernst. Selten habe ich derart konzentriert negative Emotionen für etwas nicht Lebendes verspürt. Abgesehen vielleicht von einer nicht funktionierenden Drehtür im Supermarkt, die mir bis heute vehement den Einlass verwehrt, und einem mich permanent mobbenden Furby eines Freundes. Wobei ich mir nach wie vor nicht hundertprozentig sicher bin, ob der Furby nicht doch insgeheim als materielle Hülle für eine dunkle Seele dient, womöglich sogar für die von Napoleon Bonaparte.
Das würde seinen Akzent erklären, der Furby sagte nämlich ständig: „Ah oui, kein Mensch mag dich. ‘Ab isch das gesagt? Ah oui, das ‘ab isch. Ooooh, und was willst du jetzt machen, du kleiner ‘Osenscheißer?” So oder so war ich wohl das erste und einzige Opfer des noch nicht ausreichend erforschten Toy Mobbings, des Psychoterrors im Kinderzimmer, verübt durch Spielzeug (Gerüchten zufolge nutzt man Furbys mittlerweile als Folterinstrumente in Gefangenenlagern wie Guantanamo).
Was uns jedenfalls am Wetter so störte: Zum einen konnten wir dank Schwiedhard nicht, wie seit Wochen geplant, in den Freizeitpark unserer Wahl gehen. Zum anderen regnete etwas auf uns herab, wofür wir beinahe diePatenschaft übernommen und einen deutlich würdevolleren Namen gewählt hätten.
Leider bekam nun mal ein anderer den Zuschlag, was Qual nie ganz verarbeitet hat.
„Wie kann man ein Tiefdruckgebiet nur Schwiedhard nennen?”, echauffierte sich Qual kürzlich erneut. „Das klingt doch wie die sächsische Variante von Sweetheart.” Ich antwortete: „Nun ja, das ist nicht ungewöhnlich. Die meisten Paten benennen Druckgebilde nach ihrem eigenen Namen. Und der Mann hieß eben so.” Unruhig schwebte er weiter durch die Küche. „Und was bringt ihm das? Ein, zwei Tage vermeintlichen Ruhm bei der Wettervorschau? Bei einem Hoch, meinetwegen. Aber ein Tief? Wer will ernsthaft mit einem Gewitter in Verbindung gebracht werden? Stell dir vor, dein Nachbar auf dem Dorf kommt am nächsten Tag zu dir: ‚’Tach Horst, dein blöder Schauer hat meine schönen Kartoffeln total verwässert. Die Ernte kann ich vergessen!’ Hätten wir den Zuschlag bekommen, wäre der Name viel kreativer geworden. Man müsste nur die Definition für einen Namen etwas abstrakter sehen. Wobei, manche Kinder heißen ja auch Brooklyn.”
Da wir nie über mögliche Namen gesprochen hatten, wurde ich neugierig. „Beispiele?” Qual schwellte die Brust und sagte: „Tief Taucher, Tief Stapler und Tief See, um nur einige zu nennen. Klingt dann wie eine Zeitungsüberschrift: Trübe Aussichten im Tief See.”
Stiltest: Ildiko von Kürthy