Qual und der Bestseller

“Du, ich schreibe jetzt einen Roman”, sagte mir Qual eines Morgens am Frühstückstisch. “So so”, nuschelte ich mit vollem Mund zurück, nachdem ich beim Abbeißen von meiner Stulle wieder einmal die komplette Schinkenscheibe vom Brot heruntergerissen hatte, die nun wie eine fleischige Liane über meinen mit Senf verschmierten Lippen hing. “Willst du gar nicht wissen worüber?”, fragte Qual enttäuscht. “Doch, doch”, antwortete ich und legte eine neue Scheibe Schinken auf die bereits angeknabberte, aber durch mein Malheur dummerweise entblößte Stulle. “Weißt du, es ist nämlich sehr simpel kommerziell erfolgreiche Bücher zu schreiben”, begann er zu erzählen, “es müssen nur die richtigen Kerninhalte vorhanden sein.” Als er sah, dass ich nach wie vor mit meiner Schinkenstulle beschäftigt war, fuhr er lauter redend fort: “Im Grunde brauchst du nur einen ultra bösen Antagonisten, eine kitschige Liebesgeschichte, Fäkalhumor, Vampire und ganz viel Sex. Hier ist das Exposé.” Er legte mir ein geknittertes Blatt auf den Teller und schaute mich erwartungsvoll an. Ich las:

In einer düsteren Zukunft ist nichts mehr, wie es einmal war. Bubble Tea, verspätete oder ausgefallene Züge, steigende Portokosten für Briefe, Justin Bieber, der vierte Teil von Indiana Jones, das 4:4 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden und Pinguine haben die Welt ins Wanken gebracht. Chaos und Anarchie regieren, so wie es die Maya in ihrer leider missverstandenen Prophezeiung angekündigt hatten. Die Ohnmacht der Erde und der Menschen nutzt Lord Herbert, seines Zeichens Nazi-Vampirfürst, um mit seinen eierlosen Schergen, den Angry Birds, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Herbert hatte jahrelang ein Dasein als Mitarbeiter einer Starbucks-Filiale gefristet und darauf gewartet, dass sich die Prophezeiung erfüllen würde. Durch den andauernden Kontakt mit Kaffee war er so gut wie nie müde und kann sich daher auch tagsüber bewegen. Eine riesige Raumstation über Wanne-Eickel, genannt der Todeskern, stellt das Zentrum und Symbol seiner Macht dar.

In dieser Zeit lebt Frank, erfolgreicher Wedding Planner aus dem Wedding, aus dessen Wunschkarriere Pornodarsteller nichts wurde, weil sich sämtliche seiner Partnerinnen an seiner Diphallie störten. Eines Tages soll er die Hochzeit für Lord Herbert, der sich die russische Weltklasse-Gewichtheberin Anastasia gegen ihren Willen als Braut erwählt hat, organisieren. Frank und Anastasia verlieben sich jedoch ineinander und haben zum ersten Mal in einer Besenkammer Geschlechtsverkehr. Sie bemerkt seine zwei Penisse, stört sich aber nicht weiter daran. Er hingegen bemerkt, dass sie bereits ein Vampir ist. Der Schock fährt ihm in alle Glieder, von denen er bekanntlich eins mehr als üblich besitzt. Allen physiognomischen Unterschieden zum Trotz gestehen sie sich ihre Liebe und beschließen der Schreckensherrschaft von Herbert ein Ende zu bereiten. Anastasia gelingt es das Rührei von Lord Herbert mit Bubble Tea zu kontanimieren. Auch Frank schafft es einen Becher Bubble Tea durch einen wenige Meter großen Lüftungsschacht bis zum Reaktor des Todeskerns zu werfen. Es kommt zur Todeskernschmelze. Während Herbert in Folge des eingenommenen Rühreis über Schiss zum Morgengrauen klagt und an die Toilette gefesselt mit der Station untergeht, fliegen unsere Helden in einem rosa Hubschrauber der Sonne entgegen.

Stiltest: Uwe Johnson

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