Qual und die Krankheit

“Wolltest du dich nicht mit einem Freund treffen?”, fragte mich Qual, als er mich unerwartet auf der Couch liegend sah. “Ja schon, aber der Arme ist total krank. Er hat sich während seiner Tour durch Peru anscheinend einiges eingefangen und klagt jetzt über chronische Reisediarrhoe.” Qual verzog das Gesicht: “Oh, das ist wirklich mies. Montezumas Rache hat also wieder zugeschlagen. Und ich dachte immer, dass hohe Durchfallquoten überwiegend bei Mathematikprüfungen deutscher Schüler vorzufinden sind.” Seinen Seitenhieb registrierend antwortete ich: “Mit einer 3- ist man nicht durchgefallen. Außerdem ist aus mir ja doch irgendwie etwas geworden.” Qual schwebte entspannt eine Runde durch das Wohnzimmer und setzte sich neben mich. “Und was machst du nun heute noch?” Ich überlegte. “Wahrscheinlich gar nichts mehr. Ich fühle mich heute auch nicht so besonders. Habe mir wahrscheinlich ebenfalls was weggeholt. Habe ich Fieber?” Qual legte seine eiskalte Geisterflosse auf meine Stirn. Wenn mich nicht alles täuschte, konnte ich in diesem Moment Dampf aufsteigen sehen. “Sagen wir mal so”, begann er sein Fazit, “mit deinem Kopf würden wir uns eine Menge Haushaltsgeräte sparen. Mit deinem Schädel kann man prima Spiegeleier braten, Hemden bügeln und das Zimmer mit der kaputten Heizung erwärmen. Und das bei geöffneten Fenstern. Faszinierend, einfach faszinierend.”

“Was ist denn daran bitte faszinierend?”, stöhnte ich. “Na überlege doch mal: Populationsökologisch gesehen lässt sich eine Krankheit prima mit dem Verhältnis Mensch und Erde vergleichen.” “Erklärung bitte?” Qual fuhr fort: “Alles, was du als Mensch mit Krankheiten durchmachst, lässt sich auf die Erde übertragen. Nehmen wir deinen Freund mit dem Reisedurchfall. Normalerweise arbeitet seine Darmflora gewissenhaft wie die Berliner Stadtreinigung. Man kann einschätzen, wie viel Müll beziehungsweise Nahrung anfällt und kommt damit im Grunde ganz ordentlich zurecht. Jetzt lass aber einmal zu einem Großevent eine halbe Million Südamerikaner in die Stadt kommen. Was passiert? Die Stadtreinigung bekommt hartnäckigen Durchfall und hat die Lage erst nach Abzug der Touristen wieder unter Kontrolle. Das Ganze hochgerechnet ergibt ein Abbild der Umweltverschmutzung weltweit. Oder nehmen wir dich. Fieber ist nur eine Art globale Erwärmung in Miniaturformat. Jede Form von Überbevölkerung durch Bakterien und Viren führt demnach zu Symptomen, die auch global bestehen.” So langsam verstand ich ihn. “Also sind wir Menschen so gesehen die Mikroorganismen der Erde?” “Ganz genau! Nicht immer schädlich, aber in einer zu großen Masse schon. In gewisser Weise ähnelt sogar eure Wachstumskurve der der Bakterien. Zunächst stark ansteigend, irgendwann stagnierend und dann kommt die Absterbephase. Mit dem Unterschied, dass ihr das im Gegensatz zu Bakterien, die sich “Hurra” schreiend fortpflanzen bis es zu spät ist, theoretisch noch kontrollieren können solltet. Ansonsten gibt es ja nicht umsonst den folgenden Witz.”

Es treffen sich 2 Planeten, sagt der eine zum anderen: “Und wie geht’s denn so?”

“Ach, nicht so gut, habe gerade Homo Sapiens”, entgegnet dieser.

Darauf der andere: “Keine Angst, das geht vorbei…”.

Stiltest: Ildiko von Kürthy

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