In einer Zeit, in der der Winter noch zu Recht Winter hieß und viele frierende Bürger die globale Erwärmung für ein zu begrüßendes Wahlgeschenk hielten, kam es vor, dass die unberechenbare Witterung dann und wann auch ohne erkennbaren Stift spontan einen dicken Strich durch sämtliche Reiseplanungen machte. Wie mit einem überdimensionalen Glätteisen ausgestattet, überzog sie das ganze Land und platzierte Eisfelder und Schneewehen en masse, die den gesamten Verkehr außerhalb der deutschen Schlafzimmer zum Erliegen brachten. Sämtliche Gegenmaßnahmen der Regierung fruchteten nicht, schon allein deshalb, weil Obst nun mal eher im Sommer aktuell ist.
Sogar eine komplette Hundestaffel der Bundespolizei wurde eingesetzt, um die Witterung aufzunehmen beziehungsweise sie auf Geheiß etlicher erboster Minister am besten gleich festzunehmen und für immer wegzusperren, doch vergebens: Nachdem zahlreiche Schäferhunde, wenn überhaupt, so nur mit Frostbeulen, zurückkehrten und Greenpeace sich so langsam einschaltete und gegen das Hundeelend wetterte, beschloss man, klein beizugeben und einfach auf den Frühling zu warten, der allerdings noch auf den Bahamas Urlaub machte.
Vollkommen eingeschneit und ohne unsere tibetischen Grunzochsen (besser bekannt als Yaks) Ernie und Bert, die wir beim Glücksspiel in der Mongolei gewonnen und just wenige Tage zuvor dem städtischen Tierpark geschenkt hatten, waren wir gezwungen, Heiligabend allein zu verbringen, statt zu meiner Familie zu fahren.
Mit der Aussicht auf Omas reich gedeckte Festtagstafel und der Gewissheit einer länger dauernden Abwesenheit waren wir seit geraumer Zeit nicht mehr einkaufen gewesen. Dieser Umstand rächte sich nun. Beim Durchforsten unserer Vorratskammer entdeckten wir unverhofft die eine oder andere Köstlichkeit und machten das Beste aus unserer Lage. Statt einer saftigen Weihnachtsgans an Röstkartoffeln und Grünkohl gab es Dörrfleisch mit Ketchup und zum Nachtisch Pflaumen aus dem Glas. Derart gestärkt, setzten wir uns anschließend mehrere zusammengeklebte Lametta-Folien als Perücke auf den Kopf und tanzten enthusiastisch zu laut aufgedrehten ABBA-Songs. Der Lärm rief unsere Nachbarn auf den Plan, die sich mit einer ebenfalls aufgefundenen Stiege Sektflaschen aber schnell besänftigen ließen.
Nach und nach versammelte sich der ganze Wohnblock in unserer bescheidenen Bude. Wir schlossen Frieden mit Frau Hermann aus dem ersten Stock, die uns endlich unseren verliehenen DVD-Player wieder zurückgab. Dafür erhielt sie den von uns gesammelten Stapel ihrer abonnierten Magazine, die wir jeden zweiten Monat aus ihrem Briefkasten gefischt hatten. Als unsere Feier ihren Höhepunkt erreichte, versammelten wir uns zur gemeinsamen Runde “Reise nach Jerusalem”. Erst spät in der Nacht löste sich die muntere Gesellschaft auf.
Schlaftrunken trafen sich Qual und ich morgens in der Küche, um uns endlich unsere Geschenke zu überreichen. Er bekam die Collectors-Edition der Ghostbusters-Filme, ich einen zugegebenermaßen wohlschmeckenden Kaffee. Qual bedankte sich artig und sagte dann: „Das ist total moderner Kaffee, richtig teures Zeug, Kopi Luwak. Die Kaffeefrüchte werden von Katzen gefressen und die Bohnen wieder ausgeschieden. Wahlweise übernehmen das aber auch Elefanten. Ich finde, das ist ein Geschenk, dass voll zu uns passt. Egal welchen Mist wir erleben, letztlich kann man aus jeder Scheiße auch was Gutes machen. Frohe Weihnachten!”
Stiltest: Ildiko von Kürthy
Wir wünschen allen Lesern eine besinnungslose…ähm…besinnliche Weihnachtszeit, gelungene Geschenke und fröhliche Familienangehörige. Ausreichend Alkohol kann dafür auch hilfreich sein.