Qual und die Fee

Qual und ich saßen am roten Küchentisch und spielten Risiko. Wie immer war er am gewinnen, seine Streitmacht schluckte von Afrika ausgehend nach und nach fast den gesamten Globus. Ich igelte mich in Australien ein. “Wenn du dir jetzt drei Dinge wünschen dürftest, was wäre das?”, fragte ich ihn zwischendurch. “Kamtschatka, Großbritannien und bei der nächsten Partie einen Spieleinsatz!” “Nein, ich meine nicht im Spiel.” “Sondern?” “Naja, das ist so eine Frage, die man früher in Freundschaftsbüchern beantworten musste. Da gab es auch Sachen wie Lieblingsspiel oder Lieblingsspeise.” “Lass mich raten, deine Antworten glichen sich an manchen Stellen?”, grinste Qual. “Nur Spaghetti kamen häufiger vor: bei den Wünschen, der Speise und was ich am besten kann. Lassen wir das mit den Freundschaftsbüchern. Manchmal lagen wir auch im Sommer abends im hohen Gras und haben uns vorgestellt, was wir sagen würden, wenn uns eine Fee erscheint und uns drei Wünsche gewährt.” Mehr davon!

Qual und der PC

“Kann ich jetzt endlich Solitaire spielen?”, fragte Qual. “Nein, mein Rechner ist leider grad nicht einsatzfähig. Gedulde dich.” “Okay, dann eben Minesweeper.” “Qual, er geht nicht! Wir können momentan gar nichts spielen!”, stellte ich klar. Enttäuscht ließ er die Flosse sinken. “Was ist es diesmal?” “Wahrscheinlich die Grafikkarte, ist durchgeschmort wie ein Glühbirnendraht.” “Computer sind so unzuverlässig! So unberechenbar! Die sollten nicht Rechner heißen, sondern Unberechner!” “Naja, im Privatbereich vielleicht. Ansonsten regeln moderne Großrechner ja so ziemlich alles. Von A wie Ampeln bis Z wie Zollschranken.” “Ob die Ampel-Menschen mich Solitaire spielen lassen?” “Wahrscheinlich nicht.” Mehr davon!

Qual und die Poesie III

“Duuuuu?” “Ja?” “Ich hab wieder was geschrieben…”, sagte Qual. “Du machst das mittlerweile echt gern, was? Na dann schieß mal los.”

Haarsträubend

Es saßen zwei Katzen mit Glatzen
auf der Treppe und zogen Fratzen

Da berührte eine Katze mit der Tatze
der anderen Katze Glatze Mehr davon!

Qual und die Musik

“Beherrschst du eigentlich ein Instrument?”, fragte mich Qual eines Tages. “Nein, nicht wirklich.” “Und kannst du singen?”, fragte er weiter. “Ja, aber nur schlecht. Und nur unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig.” Qual grübelte. “Wieso ist das so?” “Tja, ich hatte nie Talent, geschweige denn Begeisterung dafür gezeigt. Obwohl wir im Kindergarten und auch noch in der Grundschule ziemlich oft so taten, als hätten wir eine Band gegründet. Das fanden wir irgendwie cool. Wir haben manchmal in einer Woche mehr Bands gegründet und wieder aufgelöst, als Popstars (ja, wir standen später sogar eine Zeit lang auf Bro’Sis) und sämtliche andere Castingshows zusammen. Als ich vier oder fünf war, hatten wir bei einem Tag der offenen Tür sogar einen großen Auftritt.” “Einen Auftritt?”, horchte Qual auf. “Naja, groß hieß für uns damals, dass mehr Erwachsene als Kinder anwesend waren. Wir haben “Alles nur geklaut” von den Prinzen Playback aufgeführt. Unsere Mikrofone waren die übrig gebliebenen Papphülsen vom Toilettenpapier, an die man an ein Ende Papierkugeln als Kopfstück geklebt hatte. Früher war man ziemlich leicht zu begeistern.” Mehr davon!

Qual und das Radio

Wir saßen in der Küche und aßen Abendbrot. Qual schien nicht wirklich Appetit zu haben, vielmehr stocherte er nervös in seinem Auflauf herum. Im Hintergrund lief das Radio. Da Qual nicht zum Reden aufgelegt war, hörte ich genauer hin.

und gleich bei QualFM: Interview mit einem Vampir in Hörspiel-Kurzfassung, von mir persönlich, Ukulele spielend, vorgetragen

…“

Mir fiel die Gabel aus der Hand.

„Ist es das, was ich denke?“, wollte ich ungläubig wissen.

„Genau! Unser eigener Piratensender! Wir sind jetzt sozusagen radioaktiv“, freute er sich.

Ich fragte mich, wie groß dieser Eisberg noch sein würde, von dem Qual immer neue Spitzen auf mich losließ. „Was geht in deinem Kopf eigentlich vor? Was wollen wir mit einem Sender? Und was hat das schon wieder gekostet?“

„Wir sind der erste Spartensender, dessen Spartenprogramm täglich wechselt. So gesehen eine akustische Wundertüte. Das fasziniert die Hörer. Endlich weg von den immer gleichen Playlists. Und die Kosten? Ach, das finanziert sich am Ende doch ohnehin größtenteils duch Werbung.“

„Qual!“, echauffierte ich mich. „Niemand zahlt Geld an einen illegalen Sender!“

Er schnaubte trotzig. „Da sieht man mal wieder, wie der kreative Geist durch den Staat eingeengt wird. Die Gedanken sind vielleicht frei, aber sonst heißt es überall: Lizenzen! Zum Angeln eine Angellizenz, bei YouTube spielt die GEMA verrückt und selbst James Bond braucht eine! Ohne Moos ist halt wirklich nichts los. Aber das ist eigentlich nicht weiter dramatisch, die Anlage war günstiger, als du vielleicht denkst. FM-Transmitter sind inzwischen legal, ansonsten ein Tonbandgerät hier, eine Antenne da. Fertig! Heutzutage kann ja jeder Depp Radio machen“, klärte er mich auf.

„Ach, sag bloß!“ Ich zeigte auf ihn. „Dann bist du Beweisstück A!“

Qual und die EM

Das war es also. Wieder mal. Aus, vorbei. Erneut zwei Jahre warten. Zwei quälend lange Jahre. Mit packenden Qualifikationsspielen gegen die Färöer Inseln. Kasachstan und Österreich sind ebenfalls dabei – die nächste Todesgruppe! Stöhn. Qual und ich können es nicht fassen. Was ist passiert?

Bis gefühlt eben noch herrschte Euphorie allerorten, zuweilen auch etwas wie Siegesgewissheit. Eine Gewissheit, die ansteckend war. Wenn eine Gruppe von Frauen, reich beschmückt mit Fanutensilien, im Vorfeld der Partie mit Inbrunst in der Stimme von einem klaren Triumph gegen Italien spricht, dann muss das doch auch klappen. “Zoooooonk!”, korrigiert mich der herbeigeeilte Zonk und schüttelt milde seinen Kopf. Es klingt wie der finale Pfiff des Schiedsrichters. Oder besser gesagt: Der finale Halbfinale-Pfiff. Letzter Freistoß, der Ball in der Luft, aber dann: “Zooooonk!” Der französische Schiedsrichter Lannoy brauchte für dieses Geräusch nicht mal seine Pfeife, diesen Ton pressten seine Arschbacken vorschnell in freudiger Erregung heraus. Ein Zonk also für das DFB-Team. Nicht mal der kleine Philipp Lahm freut sich über das neue Plüschtier. Leider das falsche Tor gewählt, würde es in der Show heißen. Gestern standen sogar nur zwei Tore zur Auswahl, das richtige wurde nur nicht oft genug beballert…

Schiedsrichter Lannoy kurz nach dem Spiel: “Ich pfeife, also bin ich!”

Schlusspfiff also. Was folgte, waren bekannte Bilder und bekannte Emotionen. Wie vor zwei Jahren. Wie vor vier Jahren. Wie vor sechs Jahren. Und wie vor 13 Jahren, als mir mein Lieblings-Spielzeugauto vom Balkon fiel und auf der Straße zerschellte. Eine Oma fuhr anschließend noch mit ihrem Rollator drüber. Qual und ich fühlten uns nach Spielende wie mein Spielzeugauto. Irgendwie gerädert. Schrecklich langsam gerädert, von einer italienischen Greisin auf dem Weg ins Altersheim in Slow-Motion überrollt. Wäre Balotelli doch nur ein Rentner gewesen…So allerdings betätigte er sich als Zauberer. Aus einer Fanmeile in Partystimmung machte er schwuppdiwupp einen Kinosaal, in dem grad “König der Löwen” läuft. Und zwar genau in der Szene, in der Mufasa stirbt. MUFAAAASAAAAA! Das Gute daran: Wir wissen alle, wie der Film ausgeht. Simba kehrt zurück, zeigt Eier und wird doch noch König. Aber wer soll das bei uns sein? Simba Götze? Simba Reus? Simba-Sami Khedira? Und Löw ist Rafiki? Wer weiß.Zwei Fortsetzungen gibt es auch, aber die kennt ja keiner.

Gestern fuhren wir nachts noch mit der S-Bahn. Eine junge Frau weinte herzergreifend Rotz und Wasser. Haben uns spontan an Super Mario 2 erinnert. Da gab es Nilpferd-Statuen, die Rotzblasen absonderten, in denen man durch die Gegend fliegen konnte. Qual und ich tun jetzt genau das. Einfach davonschweben, der Sonne entgegen. Nächster Landetermin: Brasilien, 2014. Na dann…

Qual und die Zeit

“Kommst du nun mit zur Ausstellung?”, fragte Qual. “Nein, leider nicht. Ich hab noch was zu erledigen, die Arbeit muss bis morgen fertig werden”, sagte ich ohne meinen Blick vom Laptop zu wenden. Qual wirkte enttäuscht. “Wieso musst du auch so viel arbeiten?” Nun sah ich ihn doch an. “Du trägst ja nichts zur Miete bei, im Gegenteil. Außerdem ist es irgendwie ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass man sich etwas leisten kann.” Quals Gedanken in seinem Kopf schwirrten in diesem Moment wahrscheinlich so wie er durch die Küche herum.

Er erwiderte schließlich: “So sehr ich es auch genieße, mal den teuren Käse zu konsumieren, so missfällt es mir, dass du zurzeit eben keine Zeit hast. Es stimmt: Zeit ist Geld, weil du beim Arbeiten letzteres verdienst. Und das braucht man in eurer Gesellschaft in der Regel nun mal. Aber Geld ist nicht Zeit. Da liegt das Problem. Was bringt dem Menschen Reichtum, wenn er dafür Augenblicke unwiederbringlich verrinnen lässt? Wenn du alt bist, hast du vielleicht finanzielle Sicherheit, aber zu welchem Preis? Worauf hast du bis dahin verzichtet? Was du verpasst hast, kannst du mit keinem Geld der Welt zurückkaufen.” Er hatte Recht. Trotzdem musste ich ihn zumindest an diesem Tag vertrösten. “Ich bin ja noch kein Workaholic, keine Bange. Die Balance stimmt bei mir.” Qual schaute mich schief an. “Ach ja? Wann warst du denn das letzte mal beim Fußball? Wie oft holst du deine Lieblingseisenbahn aus Kindertagen vom Dachboden? Mit wem wolltest du dich mal längst wieder treffen?” “Na gut, Schachmatt. Was soll ich tun?” Qual nickte zufrieden. “Erst machst du dein Projekt fertig, die Pflicht ruft. Und morgen kaufst du neuen Käse. Nach der Arbeit kümmere ich mich dann um das Vergnügen. Betrachte mich als deinen persönlichen Zeitgeist”, sagte Qual augenzwinkernd.