Qual und die Erfindung I

Seit Tagen hatte sich Qual in unserem Werkzeugschuppen im Garten verschanzt. Nur hin und wieder holte er sich Pakete in allen möglichen Größen bei mir ab, in denen die unterschiedlichsten Utensilien zu finden waren. Neben diversen LED-Leuchten bestellte er unter anderem je einen Gummi-, Dengel-, Klauen- und Geologenhammer, 120 Wattepads, 10 Kilogramm Hafnium-Späne, eine Fahrradhupe samt Rückspiegel und die aktuelle Ausgabe des Micky Mouse Magazins mit einem Furzkissen oder Ähnlichem als Extra.  Diese Mischung an Artikeln warf einige berechtigte Fragen bei mir auf. In erster Linie wunderte es mich allerdings am meisten, warum in der Mickey Mouse nach wie vor nur Furzkissen als lumpige Beilage zu finden waren. Furzkissen und Urzeitkrebse, manchmal auch ein Detektivset. Ich schwelgte kurzzeitig in Kindheitserinnerungen.

Die nächste Lieferung, diesmal eine Kiste Duftbäume für das Auto in der Ed Hardy Los Angeles Bulldog Edition, brachte mich dann schnell wieder auf andere Gedanken. Wozu er das alles brauchte, sagte Qual mir natürlich nicht. Darauf angesprochen, äußerte er meist nur ein unzufriedenes Murren und verschwand wieder für einige Stunden in seiner Werkstatt. Manchmal blieb er auch nachts in selbiger, dann konnte man nicht nur sein regelmäßiges Fluchen und Poltern vernehmen, sondern mit der Zeit mal wieder die gesamte Discografie der Beastie Boys, die er während seines Schaffensdrangs durch die Boxen jagte, durchhören. Erneut schwelgte ich in Kindheitserinnerungen. Unerwartet öffnete er mir schließlich an einem Montag nach drei Monaten, vierzehn Tagen und sechs Stunden die Schuppentür zu seinem bis dato als streng geheim eingestuften und daher für mich nicht zugänglichen Projekt. Ich staunte nicht schlecht, als ich merkte, dass der Raum bis auf die wieder sorgfältig zusammengepackten Kartons völlig leer war. “Jetzt bist du überrascht, was?”, sagte Qual.

Qual und die Werbung

Willst du viel, spül mit…Zapp! …dem neuen Staubsauger von… Zapp! …führenden Pharmaunternehmen… Zapp! …nur diese Woche mit 0%-Finanzierung. Zapp! Herzhaft wie… Zapp! …Scheidenpilz… Zapp! und mit einem Wisch ist alles weg. Zapp! Herkömmliche Waschmittel… Zapp! …vertrauen auf… Zapp! …die serienmäßige Einparkhilfe, die… Zapp! …macht Kinder froh und…Zapp! …damit kann man sogar reiten, schwimmen und Fahrrad fahren. Zapp! “Bist auch du auf der Suche. nach einem erotischen Abenteuer in deiner Umgebung? Ruf an! Heiße Frauen ab 80 wart…”ZAPP! “Heute läuft echt gar nichts im TV”, stöhnte Qual und machte den Fernseher aus.

Qual und der Supermarkt

Unser Kühlschrank war mehr als leer (in einer lustigen Parallelwelt wäre er sicherlich implodiert),deshalb gingen Qual und ich zum nächstgelegenen Supermarkt. Nach zwei Stunden, in denen er jedes Produkt genauestens inspizierte, bevor es im Wagen landete, waren wir so gut wie fertig. “Brauchen wir noch etwas?” Fragend sah ich Qual an. “Ja, Cornflakes!”, antwortete er und deutete auf die Packung vor ihm.” Ich schaute auf den Preis. “Nein, nicht die. Wir nehmen andere. Die hier sehen gut aus.” Mein Griff ging in die unterste Regalreihe, doch Qual protestierte: “Aber warum denn? Die haben keinen Tiger! Siehst du das? Kein Tiger!” Mir war bewusst wie dämlich es aussehen würde, wenn mich jemand dabei erwischt, wie ich scheinbar mit der Luft diskutiere. Dennoch nahm ich mir die Zeit, um ihm gestenreich die Bedeutung von Marken und deren Auswirkungen auf die Preisbildung in der Lebensmittelindustrie zu erklären. Er verstand.

Letztlich haben wir, zu meinem Leidwesen, trotzdem den Tiger gekauft. “Jetzt haben wir die Katze im Sack”, frohlockte Qual. “Und zu Hause beschwerst du dich natürlich wieder über die Mogelpackung und äußerst Verschwörungstheorien, wer dir die Cornflakes weggefuttert haben könnte.” Quals Blick verfinsterte sich. “Ich sage dir, Frau Schneider ist nur zur Tarnung mit dem Hausmeister liiert. In Wahrheit stibitzt sie ihm regelmäßig den Generalschlüssel und isst in sämtlichen Haushalten die Frühstücksflocken weg. Durchtriebenes Luder…” Ich verdrehte die Augen. “Jetzt reicht es aber, die Dame ist fast achtzig Jahre alt!” “Sie soll sich ja auch nicht vom Dach abseilen und durch das Fenster rein. Wobei, als ehemalige Pfadfinderin hat sie es bestimmt noch drauf…Wer eklige Kekse verkaufen kann, dem trau ich alles zu!”

Qual und das Universum

“Glaubst du eigentlich daran, dass es Außerirdische gibt?”, fragte ich Qual. Er überlegte lange. Drei 5-Minuten-Terrinen später sagte er: “Sich weiter auszudehnen, ist auf jeden Fall das Beste, was das Universum machen kann. Solange ihr damit beschäftigt seid irgendwelche Gesetzmäßigkeiten zu ergründen, kommt ihr nicht auf dumme Gedanken. Von eurer technischen Begrenztheit bis in die tiefsten Tiefen vorzudringen mal ganz zu schweigen. Bislang musste ja stets jemand unter eurem Entdeckergeist leiden. Nimm die Dodos auf Mauritius. Kaum entdeckt, schon wurden sie verspeist.”

“Und was ist nun die Antwort auf meine Frage?”, hakte ich erneut nach. “Verzeih. Ich bin mir noch nicht schlüssig, welche Option ich persönlich ansprechender finde. Wenn es keine Aliens gibt, wäre der Mensch wohl die intelligenteste Lebensform im Universum. Und das könnte man als ein wirkliches Armutszeugnis betrachten. Ganz im Ernst, da muss es doch noch Alternativen geben. Andererseits würde ich gern das Gesicht sämtlicher NASA-Mitarbeiter sehen, wenn nach Jahrzehnten der Forschung und dem ganzen Geld, das in die Entwicklung und dergleichen gesteckt wurde, die Nachricht kommt: Sorry Jungs, da draußen gibt es in der Tat absolut gar nichts…nur Meteoriten, ein Haufen Sterne und alte, russische Satelliten.”