Qual und das Denkmal

„Wie würdest du Kultur definieren?“, fragte mich Qual während des Frühstücks.

„Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte ich mit vollem Mund zurück.

„Das erzähl ich dir gleich, aber erst du. Also?“

„Hm, wahrscheinlich eine Mischung aus allem Schöngeistigen, ge­paart mit den sozialen Gepflo­genheiten oder so. Und dann gibt es noch Joghurtkulturen, die sehen nach zwei Wochen auch spektakulär aus“, antwortete ich mit nach wie vor gefülltem Mund.

Qual schien mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden zu sein: „Du würdest also zugeben, dass eine Begriffsabgrenzung schwierig ist?“ Ich nickte und kaute weiter. Qual fuhr fort: „Wie kann man dann festgelegen, was als kulturelles Erbe für die Nachwelt von Bedeutung ist und was nicht?“

„Erkläre dich bitte.“

„Gern. Regelmäßig werden weltweit Dinge als schützenswertes Gut eingestuft, ohne an die Konsequenzen zu denken. Vor allem die EU ist da ziemlich hinterher. Der Europarat hat 1991 sogar die European Heritage Days ins Leben gerufen. Noch mehr Gedenktage! – aber das Thema hatten wir ja schon zur Genüge behandelt. Jedenfalls stehen immer mehr Denkmäler unter Schutz oder werden gar neu erbaut. Aber denk mal nach, was ein Denkmal so nach sich zieht. In Winnenden steht ein Denkmal für den Mops vom Herzog Karl Alexander von Württemberg. Und warum?“ „Ja, warum?“, fragte ich. „Weil er in einer Schlacht alleine den Weg nach Hause gefunden hat! Na Wahnsinn! Ich würde sagen: Feiger Deserteur! Und so eine Töle bekommt eine eigene Skulptur!“

Ich wischte die Brotkrümel vom roten Küchentisch und schaute ihn an. „Wenn ich dich richtig ver­­stehe, machst du dir also Sorgen, dass durch eine inflationär durchgeführte Einstufung als Denk­mal der Nachwelt gewisse Objekte erhalten bleiben, die mitunter nicht ganz deinem Verständnis von Kultur entsprechen.“

„Genau!“ Qual fühlte sich bestätigt. „Dann gibt es irgendwann nur noch Möpse. Und die Kultur geht vor die Hunde.“