Qual und die NSA

An einem total gewöhnlichen Tag surfte ich ein wenig im Internet umher, als Qual mir plötzlich bei Facebook schrieb. Dies tat er mit seinem über sehr lange Zeit aufwendig erstellten und gepflegten Fake-Profil. Aufwendig erstellt, weil er durch diverse Aktivitäten dort inzwischen mehr Freunde hat als ich und wohl nie im Leben jemand darauf kommen wird, dass sich hinter Eugene Chevrier kein in Berlin lebender Erasmus-Student aus Bordeaux mit Talent für die Malerei verbirgt, sondern ein kauziger Geisterwal – der zugegebenermaßen immerhin wirklich gut zeichnen kann.
Um seinen Online-Auftritt authentischer zu gestalten, verändert Qual oftmals in mühsamer Detailarbeit Aufnahmen des Schauspielers Steve Buscemi bei Photoshop und verwendet diese dann als Profilbild. Der gemeine Facebook-User sieht dann einen deutlich jüngeren Buscemi mit längeren Haaren und dunklem Teint vor Sehenswürdigkeiten wie dem Brandenburger Tor. Dank endloser Kommentare zu beinahe jedem Beitrag in verschiedenen Gruppen oder auf ausgewählten Seiten hat er sich eine gewisse Reputation im Netz erarbeitet. Mittlerweile gratulieren ihm hunderte wildfremde Personen zu seinem ausgedachten Geburtstag am 14. Juli 1989. An diesem Tag jährte sich der Sturm auf die Bastille im Zuge der Französischen Revolution zum 200. Mal. Natürlich ist das kein Zufall.

Auch den Namen hat Qual wohlweislich gewählt. Eugene kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie der edel Geborene, Chevrier ist ein französischer Nachname und lautet übersetzt Ziegenhirte. Letzteres ist ein kleiner Spaß von Qual, der sich nach eigener Aussage selbst als selbstloser Hirte der Menschen sieht, die in seiner Vorstellung ohne ihn vollkommen aufgeschmissen wären.

Das alles fuhr mir nochmals durch den Kopf, als ich schließlich Quals Nachricht las: Klebrolli kupatt! Irritiert sah ich genauer hin. Klebrolli kupatt! Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und zog sämtliche mir bekannten Suchmaschinen zurate – ergebnislos. Entnervt beschloss ich die kryptische Botschaft einfach zu ignorieren. Kurz darauf erregte Qual allerdings erneut meine Aufmerksamkeit. Ein Bild, auf dem eine Freundin und ich verlinkt wurden, kommentierte er mit Tofu. Mir reichte es. Schnellen Schrittes ging ich ins Nebenzimmer, in dem Qual an seinem Laptop hockte.

„Was soll das alles bedeuten?“, stellte ich ihn zur Rede. „Was genau meinst du?“, entgegnete er freundlich. Ich zeigte mit dem Finger auf seinen Laptop. „Na deine komischen Nachrichten. Ich verstehe kein Wort. Und wenn ich eins verstehe, ergibt es keinen Sinn.“ Beschwichtigend bewegte Qual seine Flossen. „Keine Sorge, ich hätte dich noch aufgeklärt. Mir ist lediglich bewusst geworden, dass das Internet kein Platz für sichere Kommunikation ist. Überall wird mitgelesen. Die Gedanken sollen ruhig frei sein, aber nicht für jede bornierte Regierungsbehörde frei zugänglich. Deshalb nutze ich ab sofort Chiffriercodes, um meine kostbaren Gedankengänge für das unwissende Auge zu verschleiern. Trotzdem müssen wir aufpassen. NSA bedeutet ja inoffiziell Nerds sehen alles. Zunächst verwenden wir Akronyme und ausgetauschte Vokale. Klebrolli kupatt steht beispielsweise für Klobrille kaputt. Kümmere dich bitte zeitnah darum.“ Ich nickte angesäuert. „Und was heißt nun Tofu?“ Qual grinste diebisch. „Too old for you. Nichts für ungut, aber das Mädel ist einfach nichts für dich.“

Stiltest: Ingo Schulze

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