Qual und die Poesie II

“Ich bin jetzt übrigens ebenso ein Möchtegern-Dichter wie du!” Verstohlen linste Qual um die Ecke und wartete meine Reaktion ab. “Ist ja schön für dich, aber warum musst du mir das nachts um drei sagen?” “Hat was mit Wahrnehmung zu tun, jetzt kannst du am objektivsten deine Meinung dazu abgeben. Wenn sich dein Gehirn später wieder eingeschaltet hat, würdest du nämlich niemals mein Talent anerkennen. Und nun hör zu.”

Berufsverkehr

Drücken, quetschen, weiter drängen
erbarmungslose Menschenmengen
Schubsen, pöbeln, kräftig schieben
wär ich nur zu Haus geblieben
Jammern, hadern und auch fluchen
Schwache haben hier nix zu suchen

Das Leben wär nur halb so schwer
gäbs die Werktage nicht mehr

Qual holte kurz Luft und ergänzte: “Eigentlich brauch ich deine Meinung gar nicht. Hab das Gedicht schon mit deinem Facebook-Profil gepostet, da hat es zehn Leuten gefallen. Das ist der Beginn von was ganz Großem. Mein Künstlername ist ab sofort Basta Reims, stark oder? Werft die Halunken über Bord, ich bin der King vom gesprochenen Wort! Basta, basta, basta Reims. Und wenn ich…Sag mal SCHLÄFST DU SCHON WIEDER???”

Qual und die Poesie

“Was schreibst du da?”, wollte Qual wissen, nachdem ich wieder eine zusammengeknüllte Seite sauber neben den Mülleimer geworfen hatte. “Ach, das sind so Reime. Manchmal denke ich, da kommt eine gute Idee. Meistens ist es aber doch nur Schrott.” “Lies mir mal was davon vor!” Ich wusste genau, dass Gegenwehr meinerseits seinen Wunsch nur noch erhärtet hätte, insofern tat ich ihm den Gefallen. “Pass auf. Ist aber nur ein Vers.”

Nicht jeder, der Tomaten mag,
isst auch gern Tomatenmark

“Also das sollte mal mit einem Mark weitergehen, der für seine Tomaten bekannt ist, quasi als Tomaten-Mark, der natürlich Tomaten mag. Aber dafür eine schreckliche Abneigung gegenüber Magerquark verspürt. Naja, wie gesagt, ich bin noch kein Erich Kästner.” Irgendwie hatte ich aufbauende Worte erwartet, stattdessen hörte ich nur: “Hmmm…und ein Marc-Uwe Kling bist du auch nicht.”